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Merkantile Minderwerte in der Verkehrswertermittlung

Immobilienerwerb, insbesondere solcher der renditeorientierten Gesichtspunkten folgt, ist oft eine rationale, sorgsam abgewogene Entscheidung. Es werden objektivierbare Kriterien der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt, miteinander verglichen und ausgewertet. Vertrauen ist ein Begriff, den man in diesem Zusammenhang eher selten hört. Dennoch gilt auch hier: Ohne ein gewisses Vertrauen in eine Sache, sprich Immobilie, geht es auch hier nicht. Dies gilt umso mehr, sofern eine Immobilie in einem zurückliegenden Zeitraum durch "Unregelmäßigkeiten" aufgefallen ist. Dies können bspw. bauliche Schäden oder Mängel sein, Hochwassergefahren, aber auch objektiv nicht quantifizierbare Gegebenheiten, die eine Immobilie in einem ungünstigem "Karma" erscheinen lassen. Beispiel Bauschäden oder Baumängel: Eine Immobilie war von einem Schaden betroffen, der erheblich in die Bausubstanz bzw. in die Tragkonstruktion eingegriffen hat. Dieser Schaden ist zwar fehlerfrei behoben worden, trotzdem verbleibt oftmals beim potenziellen Käufer ein gewisser Vertrauensverlust in die Immobilie. Dies begründet sich dadurch, dass sich ggf. die Ursache des Schadens (z.B. Setzungen oder eindringende Feuchtigkeit) nicht restlos verifizieren ließ. Die Gefahr bzw. Angst vor einem erneuten Auftreten des Schadens bleibt erfahrungsgemäß bestehen. Beispiel Hochwasser: Bei dem verheerenden Hochwasser in Teilen Sachsens 2002 haben die örtlichen Gutachter-ausschüsse festgestellt, dass für die flutgeschädigten Grundstücke durchschnittlich 10% weniger gezahlt wurde, obwohl eine vergleichbare Flut über 150 Jahre zurückliegt. Hierbei dürfen diese Wertminderungen nicht mit den Wertminderungen verwechselt werden, die hochwassergefährdete Grundstücke per se haben, bedingt z.B. durch erhöhte Bewirtschaftungskosten, etc. Diesen Vertrauensverlust, den es im Übrigen genauso bei anderen Verkaufsobjekten, z.B. Unfallautos gibt, bezeichnet man als merkantilen Minderwert. Der Bundesgerichtshof hat den Begriff definiert: "Der merkantile Minderwert liegt in der Minderung des Verkaufswertes einer Sache, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb besteht. "Die Annahme des merkantilen Minderwertes beruht gerade auf der Lebenserfahrung, dass eine einmal mit Mängeln behaftet gewesene Sache trotz sorgfältiger und vollständiger Reparatur im Geschäftsverkehr niedriger bewertet wird." Grundsätzlich gilt: Es kommt nur dann zum Ansatz (Werteinfluss) eines merkantilen Minderwertes, wenn der Schaden oder Mangel sich nicht beheben lässt, bzw. fehlerfrei behoben wurde. In anderen Fällen (der Schaden ist noch vorhanden) werden die tatsächlichen Kosten bzw. wertmäßigen Auswirkungen der Schadensbehebung angesetzt. Die quantitative Bemessung des merkantilen Minderwertes gestaltet sich in der Praxis eher schwierig. Der psychologische und damit objektiv nur schwierig zu messende Einfluss ist hoch. Grundsätzlich hat der Verkäufer einer Immobilie dem Käufer gegenüber eine Informations-pflicht hinsichtlich (ehemals) vorhandener Schäden. Erst dann, wenn die Kenntnis dieser ehemaligen Schäden preisbeeinflussend ist, liegt ein merkantiler Minderwert vor. Wie hoch dieser ist, bemisst sich nach den Auswirkungen des ehemaligen Schadens auf die Nutzbarkeit des Objektes. Je nach deren Einfluss ergeben sich nach sachverständiger Schätzung Auswirkungen von i.d.R. 10% - 20% des Verkehrswertes. Merkantile Minderwerte bestehen meist nur über einen Zeithorizont von 10 - 15 Jahren. Danach wächst oftmals das ?Vertrauen? in die Immobilie wieder. Der ehemals befürchteten negativen Auswirkungen werden mehr und mehr vergessen.