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Zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes

Aufgrund der Erbschaftssteuerreform hat seit dem 1. Januar 2009 der Nachweis des gemeinen Werts in Fällen der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer für Gutachter eine gestiegene wirtschaftliche Bedeutung. In der vorliegenden BFH-Entscheidung werden Anforderungen an Gutachten zum Nachweis des geringeren gemeinen Werts klargestellt. In seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2008 hat sich der Bundesfinanzhof (II R 19/08) in einem Einzelfall eingehend mit den Anforderungen an Gutachten zum Nachweis des geringeren gemeinen Werts beschäftigt: Gemäß § 146 Abs. 7 BewG (§ 198 BewG neu) ist für bebaute Grundstücke ein niedrigerer Grundstückswert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist als der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Wert. Der Nachweis kann u.a. durch Vorlage des Gutachtens eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden. Ob das Gutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzamtes und ggf. der Gerichte. Der Nachweis ist erbracht, wenn die Behörde und ggf. das Gericht dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger folgen kann. Einem Sachverständigengutachten, das bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung entspricht und plausibel ist, wird regelmäßig zu folgen sein. Dazu muss das Gutachten zunächst auf den zutreffenden Bewertungsstichtag abstellen. Dies ist der Tag der Steuerentstehung als Besteuerungszeitpunkt. Maßgebend sind sowohl die tatsächlichen Verhältnisse zu diesem Stichtag als auch die Wertverhältnisse. Auch das angewandte Wertermittlungsverfahren muss für das zu bewertende Grundstück geeignet sein. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Das dabei gewonnene Ergebnis ist gemäß Satz 2 der Vorschrift unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt zu überprüfen und ggf. an diese anzupassen. So hat der Senat für das Ertragswertverfahren wiederholt darauf hingewiesen, dass die Renditeerwartungen potenzieller Kaufinteressenten nicht das allein Bestimmende für den Wert eines Grundstücks sind. Vielmehr muss hinzukommen, dass die Grundstückseigentümer auch bereit sind, ihre Grundstücke zu einem diesen Erwartungen entsprechenden Preis zu verkaufen. Die Bewertungsverfahren sind gemäß § 7 Abs. 2 WertV nach der Art des Gegenstandes der Wertermittlung unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu wählen; die Wahl ist zu begründen. Werden mehrere Verfahren herangezogen, ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 WertV der Verkehrswert aus den Ergebnissen der angewendeten Verfahren unter Würdigung ihrer Aussagefähigkeit zu bemessen. Hat der Sachverständige zunächst sowohl einen Ertragswert als auch einen Sachwert ermittelt, dann aber den Verkehrswert des Grundstücks unter Angabe der dafür maßgeblichen Gründe ausschließlich nach dem Ertragswert bemessen, können die Behörde und ggf. auch die Gerichte zwar diese Gründe überprüfen und dabei auch zu dem Ergebnis kommen, dass eine Verbindung beider Bewertungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 WertV vorzuziehen ist; sie müssen dies aber in Auseinandersetzung mit der Auffassung des Sachverständigen ihrerseits begründen und können nicht einfach den Mittelwert der im Ertragswert- und im Sachwertverfahren gefundenen Werte als Verkehrswert ansehen. Es ist nicht sachgerecht, den Verkehrswert schematisch durch Mittelung von Ertragswert und Sachwert zu bestimmen. So ist richtig, dass bebaute Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke regelmäßig im Ertragswertverfahren sachgerecht bewertet sind. Allerdings ist auch im Ertragswertverfahren die Lage auf dem Grundstücksmarkt zu berücksichtigen, wie § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV sie für alle Bewertungsverfahren vorsieht. Unter "Lage auf dem Grundstücksmarkt" ist dabei gemäß § 3 Abs. 3 WertV die Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag (Besteuerungszeitpunkt) für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände zu verstehen. Hervorzuheben ist, dass danach die Maßgeblichkeit der Umstände nicht nur aus der Sicht der Nachfrager und deren Ertragserwartungen, sondern auch aus der Sicht der Anbieter zu beurteilen ist. Wird der Liegenschaftszinssatz mit 6 v.H. als Hilfswert gemäß Nr. 3.5.4 Abs. 2 Satz 4 der Wertermittlungs-Richtlinien 2002 angesetzt, so ist anzugeben, ob ein veröffentlichter Liegenschaftszinssatz nicht vorhanden oder ein marktüblicher Liegenschaftszinssatz nicht feststellbar gewesen ist. Wird bei den Bewirtschaftungskosten an die oberste Grenze des "entsprechend heutigen Mietverträgen" Üblichen gegangen, so ist dies erklärungsbedürftig. Ein Abschlag vom Bodenwert wegen der Bebauung des Grundstücks ist nur möglich, wenn er sich objektivierbar und grundstücksbezogen begründen lässt, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe. Er wird etwa dann in Betracht kommen, wenn sich die bau(planungs)rechtlichen Vorgaben für das Grundstück wegen der vorhandenen Bebauung nicht voll ausnutzen lassen oder im Bewertungszeitpunkt die nach außen hervorgetretene Absicht bestand, zur Wiedererlangung der Entscheidungsfreiheit über die Art der Bebauung bauliche Veränderungen - z.B. einen Abbruch - vorzunehmen.